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Autorenportrait

"Lyrik ist immer frei. Die Dichterin Petra Fietzek legt mit „Der Fluss Die Stille“ einen starken neuen Gedichtband vor."  

Bernadette Conrad, Journalistin und Schriftstellerin (DIE ZEIT, Berliner Zeitung u.a.)

Sie war schon immer ihre – vielleicht eigentlichste - Sprache gewesen, die Sprache der Gedichte. Hellwach, sensibel, spürend,

wurde das „Mauerkind“, wie sie sich selbst im Titel eines Buches von 2022 nannte, im Westberliner Schatten der Mauer groß. 

Schon jung gab es ihn, den Selbstausdruck in Gedichten: „Seit ich zehn war, schrieb ich Kurzgeschichten, Lieder, Chansons…“,

sagt Petra Fietzek selbst, und 1976 war er dann da, der erste Gedichtband „Freiheit zum Fragen“, erschienen im Duisburger Verlag Gilles & Francke. „Doch du“, „Wetterleuchten“ folgten. 

Doch du: Schon in diesen frühen Bänden war ein zentraler Adressat ihrer Texte der herausfordernde, oft kaum erkennbare Gott,

den es in allen Dingen des Lebens zu finden gilt. 

„Du Gott bist ein Koan für mich/ Weit mehr als ein Rätsel/ Paradox und undurchsichtig// Doch wenn du mich packst/ vergess ich Dein Fremdsein…“, wie es in einem der Gedichte von Petra Fietzeks gerade erschienenen Lyrikband „Der Fluss Die Stille“ (Elsinor 2023) heißt.  

 

In den Jahren der Ausbildung zur Lehrerin trat der Fluss des eigenen Schreibens zurück vor den Aufgaben des Berufs.

„Mit Ende 20 kam es dann wieder“, erzählt Fietzek, und beschreibt, welch wesentliche Rolle die Begegnung und Ehe mit dem bildenden Künstler Rainer Fietzek auch in Bezug auf ihre Kunst spielte: „Er wusste, was Kreativität bedeutet.“ In den Jahren, die kamen, Familienjahren mit zwei Töchtern, spielte das Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern, mit denen Petra Fietzek auch viel in Schulen unterwegs war, eine große Rolle. „Für Kinder mit künstlerischer Ader kann es sehr wichtig und ermutigend sein, zu sehen, wie jemand das Schreiben zum Beruf gemacht hat.“. Als „immer auch theologisch Interessierte“ schrieb und sprach sie seit 1995 für ganze 27 Jahre Morgenandachten und geistliche Sendungen für verschiedene deutsche Sendeanstalten. 

 

Dabei ist es für Petra Fietzek immer wichtig, am Alltag, am ganz konkreten Hier und Jetzt anzuknüpfen. Ein Gegenüber ist ihr dabei oft die Natur: „Der Weg hinterm Haus war eine alte Allee/ Aufgeplatzter Asphalt vom starken Wurzelwerk/ Gräser mit feinen Rispen/ Buschwerk rechts und links/ Grasende Kühe auf einer Wiese/ Stacheldraht/ Schattengitter schwarz// Ich war jung auf dem Weg in den grünen Dom/ spürte Unterwegssein und Behütetsein/ Mein Herz klopfte verzückt (…)“ (Der Fluss Die Stille).

In vielen ihrer lyrischen Texte sind die „Sinnfragen, mit denen ich mich in meinem Leben viel auseinandergesetzt habe“, direkt an Momente und Bilder in der Natur angebunden, wie in der Forsetzung des Gedichts: „(…) Jahre später wurde diese Allee/ heilsames Pflaster/ auf meinem wunden Herzen// Ich stand entwurzelt am Eingang/ atmete das Lichtspiel in den alten Ästen/ Grün und Gelb und Braun/ lauschte dem Tuscheln hoher Gräser/ lauschte ins Windrad vergangener Zeit.“

 

Lyrisches Schreiben zu vermitteln und Schreibprozesse zu begleiten nahm und nimmt weiter einen festen Platz in Petra Fietzeks

Arbeit ein. Eine Ausbildung zur Poesie und Bibliotherapeutin wurde zur Grundlage ihrer vielen Schreibwerkstätten und individuellen Begleitungen. „Denn der rote Faden in allem ist ja das Interesse am Menschen“, sagt Petra Fietzek im Gespräch, „das Interesse an seelischen Prozessen, an der Resonanz auf Ereignisse. Von daher entspricht mir die Arbeit im pädagogischen und therapeutischen Bereich.“ Zugleich braucht es aber immer auch die Zeit und die Stille, die den Boden darstellen für die nicht absehbaren lyrischen Prozesse. „Lyrik ist immer frei – das Gedicht kommt, wenn die Zeit für es reif ist.“

Anders ausgedrückt: sie „folge dem Stift“, sagt Petra Fietzek, deren vorletzter Gedichtband den schönen Titel „Daseinsprotokolle“

trägt. Von aktuellem Zeitgeschehen habe sie sich lange bewusst ferngehalten. Das hat sich nun geändert: „Ich möchte das probieren. Wir alle haben soviele große Themen in uns zu bearbeiten – denen muss man sich zuwenden.“ Und dann gibt es eben nicht nur die inneren Themen, sondern auch das, was um uns herum geschieht.

 

„Es brennt die Welt“ heißt einer der acht Abschnitte, in die die Gedichte in Fietzeks neuem Gedichtband unterteilt sind. „Dieses Schreiben/ während andernorts Bomben fallen/ Menschen auf der Flucht sind/ Befehle den letzten Rest/ von Menschenwürde zerstückeln (…)“, beginnt das erste der Gedichte in diesem Abschnitt. Auch dies Bewusstsein ist Teil ihres geistigen Raums.

„Unsere Existenz ist fragil. Sicherheiten sind meist nur vermeintliche Sicherheiten. Real ist immer nur die Schönheit des einzelnen Tages, die Schwere des einzelnen Tages.“ Gedichte können dabei die Rolle von „Haltestellen“ einnehmen, „sie sind Angebote,

das hohe Lebenstempo zu unterbrechen, das wir alle haben.“ 

Tatsächlich sind Petra Fietzeks Gedichte Angebote, im von ihr langjährig erforschten, geduldig und gründlich ausgeleuchteten Raum der Sprache einmalig treffende Bilder und Gesten zu entdecken, die für die Leserin lebensbegleitend werden können.   

Gedichte also für die Lesenden wie auch für die Dichterin selbst als Begleiter und Bestätigung einer Lebenshaltung, die Petra Fietzek so ausdrückt: „Froh im Bewusstsein von Risiko zu leben.“ Oder, um es mit einer Zeile des letzten Gedichts im Band zu sagen:

„feiere mein Leben in Kartenhäusern// Durch tausend Blätter der Rotbuche/ erzählt der Wind vom Werden und Vergehen/ Der Hund legt seinen Kopf auf meinen Fuß// Hab Kartenhäuser der Nacht abgerungen/ Hab sie ins nüchterne Tageslicht gestellt/ Sie halten stand weil ich sie kenne/ ihre Verletzbarkeit ihre Schatten liebe/ und nun dort mein Wohnort ist.“

 

 

Bernadette Conrad, Journalistin und Schriftstellerin (DIE ZEIT, Berliner Zeitung u.a., zuletzt

„Was dich spaltet“, Transit 2023)

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